Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. In diesem Text erhalten Sie die wichtigsten Informationen zu Krankheitsbild und Krankheitsformen sowie zu Häufigkeit, möglichen Ursachen, Symptomen, Diagnose, Behandlung und Prognose der Erkrankung.
Autor: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. Günter Henze, Dr. med. Anja Möricke, PD Dr. med. Gabriele Escherich, Zuletzt geändert: 23.11.2023 https://dx.doi.org/10.1591/poh.patinfo.all.kurz
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) – auch akute lymphatische Leukämie genannt – ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Sie entsteht im Knochenmark, dem Ort der Blutbildung, und geht im Allgemeinen mit einer Überproduktion unreifer weißer Blutzellen einher.
Normalerweise vermehren und erneuern sich alle Blutzellen in einem harmonischen Gleichgewicht. Sie durchlaufen dabei einen komplizierten Reifungsprozess. Bei der ALL ist dieser Prozess außer Kontrolle geraten: Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) reifen nicht mehr zu funktionstüchtigen Zellen heran, sondern vermehren sich rasch und unkontrolliert. Sie verdrängen dadurch zunehmend die normale Blutbildung, so dass gesunde weiße Blutzellen sowie rote Blutzellen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) nicht mehr im notwendigen Umfang gebildet werden.
Blutarmut (Anämie), Infektionen und erhöhte Blutungsneigung können die Folge und zugleich auch das erste Anzeichen einer akuten Leukämie sein. Da die ALL von Anfang an nicht auf eine bestimmte Stelle im Körper begrenzt ist, sondern vom Knochenmark ausgehend das Blut, die lymphatischen Gewebe [lymphatisches System] und alle anderen Organe und somit ganze Organsysteme befallen kann, wird sie – wie alle Leukämien – auch als bösartige Systemerkrankung bezeichnet.
Die ALL nimmt einen raschen Verlauf. Erfolgt keine Behandlung, kommt es durch die Ausbreitung der Leukämiezellen und der damit einhergehenden Schädigung der Körperorgane zu schweren Erkrankungen, die unbehandelt innerhalb weniger Monate zum Tod führen.
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist – mit einem Anteil von etwa 80 % – die häufigste Form der Leukämie bei Kindern und Jugendlichen. Sie macht (mit etwa 22 %) gut ein Fünftel aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. In Deutschland erkranken – nach Angaben der Studienzentralen – pro Jahr circa 550 bis 600 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren neu an einer akuten lymphoblastischen Leukämie. Die ALL kann in jedem Alter auftreten, also auch bei Erwachsenen. Am häufigsten betroffen sind jedoch Kinder zwischen 1 und 5 Jahren. Jungen erkranken etwas häufiger als Mädchen (Geschlechterverhältnis 1,3:1).
Bei der ALL findet eine bösartige Veränderung (Entartung) in einer unreifen Vorläuferzelle der Lymphozyten statt. Die Entartung kann auf verschiedenen Stufen der Zellentwicklung geschehen und verschiedene Untergruppen der Lymphozyten beziehungsweise deren Vorstufen betreffen. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Formen der ALL. So genannte B-ALL-Formen beispielsweise gehen von Vorläuferzellen der B-Lymphozyten aus, T-ALL-Formen von Vorstufen der T-Lymphozyten. Eine Entartung auf früher Entwicklungsstufe ist durch die Vorsilbe „prä“ oder „pro“ gekennzeichnet.
Daraus ergeben sich folgende ALL-Unterformen:
Die Einteilung (Klassifikation) der oben genannten ALL-Subtypen erfolgt mit Hilfe einer speziellen Untersuchungsmethode (Immunphänotypisierung). Eine noch genauere Charakterisierung der verschiedenen Typen ist anhand der genetischen Merkmale der Leukämiezellen möglich. Wichtig zu wissen ist, dass es verschiedene Formen der ALL gibt, da sich diese, was Krankheitsverlauf und Heilungsaussichten (Prognose) betrifft, zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Bei der Wahl der Behandlungsstrategie werden diese Unterschiede berücksichtigt.
Die Ursachen der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) sind weitgehend unbekannt. Zwar weiß man, dass die Krankheit durch die bösartige Veränderung einer Vorläuferzelle der Lymphozyten entsteht und dass die Entartung mit Veränderungen im Erbgut der Zelle einhergeht. In den meisten Fällen bleibt jedoch unklar, warum genetische Veränderungen auftreten und warum sie bei manchen Kindern zur Erkrankung führen, bei anderen nicht.
So lässt sich zum Beispiel eine Genveränderung, die bei ALL vorkommt, bereits bei neugeborenen Kindern feststellen, die jedoch erst Jahre später an ALL erkranken. Auch erkrankt nicht jedes Kind mit einer derartigen Erbgutveränderung an ALL. Dies deutet darauf hin, dass bei der Krankheitsentstehung neben genetischen und immunologischen Faktoren auch das Immunsystem sowie äußere Einflüsse eine Rolle spielen. Vermutlich müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken, bevor eine ALL entsteht.
Bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche mit bestimmten ererbten oder erworbenen Immundefekten oder mit bestimmten Chromosomenveränderungen ein erhöhtes Risiko haben, an einer ALL zu erkranken. Erbliche Vorerkrankungen, die die Entwicklung einer ALL begünstigen, sind zum Beispiel das Down-Syndrom, die Fanconi-Anämie, das Bloom-Syndrom, das Louis-Bar-Syndrom und das Li-Fraumeni-Syndrom. Da diese (sehr seltenen) Krankheitsbilder mit einer Veranlagung für die Krebsentstehung einhergehen, werden sie auch als Krebsprädispositionssyndrome bezeichnet.
Darüber hinaus können auch radioaktive Strahlung und Röntgenstrahlung, bestimmte chemische Substanzen und Medikamente, Zigaretten- oder Alkoholkonsum der Eltern und möglicherweise auch Viren bei der Entstehung einer Leukämie eine Rolle spielen. Bei der Mehrheit der Patienten kennt man die krankheitsauslösenden Faktoren jedoch nicht.
Die Krankheitszeichen (Symptome), die mit einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) einhergehen, entwickeln sich meist innerhalb weniger Wochen. Sie sind auf die Ausbreitung der bösartigen Zellen im Knochenmark und in anderen Körperorganen und -geweben zurückzuführen. Die ungehemmte Teilung der Leukämiezellen im Knochenmark beeinträchtigt zunehmend die Produktion der normalen Blutzellen.
Kinder und Jugendliche, die an einer ALL erkrankt sind, fallen deshalb zunächst durch allgemeine Krankheitszeichen wie Mattigkeit, Spielunlust und Blässe (Anämie) auf. Diese sind bedingt durch den Mangel an roten Blutkörperchen, deren Aufgabe es ist, den Sauerstoff in die Körperzellen zu transportieren. Durch den Mangel an funktionstüchtigen weißen Blutkörperchen (zum Beispiel Lymphozyten und Granulozyten), können Krankheitserreger nicht mehr ausreichend bekämpft werden; es stellen sich Infektionen ein, die sich durch Fieber bemerkbar machen. Das Fehlen von Blutplättchen, die normalerweise für eine rasche Blutgerinnung sorgen, kann zu Haut- und Schleimhautblutungen führen.
Die Überhandnahme der Leukämiezellen im Körper führt, abgesehen von Veränderungen im Blutbild, zu Organbeschwerden: Das Wachstum der Leukämiezellen in den Hohlräumen der Knochen, im Knochenmark, kann Knochenschmerzen hervorrufen, vor allem in Armen und Beinen. Sie können so ausgeprägt sein, dass kleinere Kinder nicht mehr laufen mögen und getragen werden wollen. Die bösartigen Zellen können sich außerdem in Leber, Milz und Lymphknoten festsetzen, so dass diese Organe anschwellen und zu entsprechenden Beschwerden, zum Beispiel Bauchschmerzen, führen. Kein Organ ist grundsätzlich verschont. Bei Patienten mit einer ALL kann es auch zu einem Befall der Hirnhäute kommen. Kopfschmerzen, Gesichtslähmungen, Sehstörungen und/oder Erbrechen können die Folge sein.
Die wichtigsten Symptome sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst:
Gut zu wissen: Die Symptome einer ALL können individuell sehr verschieden stark ausgeprägt sein. Wichtig zu wissen ist auch, dass das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen nicht unbedingt bedeuten muss, dass eine Leukämie vorliegt. Viele dieser Symptome treten bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auf, die mit Leukämie nichts zu tun haben. Bei Beschwerden ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren, um deren Ursache zu klären. Liegt tatsächlich eine akute Leukämie vor, muss schnellstmöglich mit der Therapie begonnen werden.
Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung des Patienten Hinweise auf eine akute Leukämie, wird er zunächst eine umfassende Blutuntersuchung vornehmen. Wenn sich, durch bestimmte Veränderungen im Blutbild, der Verdacht auf eine Leukämie erhärtet, ist eine Entnahme von Knochenmark (Knochenmarkpunktion) zur Sicherung der Diagnose notwendig. Zu diesem Zweck und für eventuell sich anschließende Untersuchungen wird der Arzt den Patienten in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebs- und Bluterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für pädiatrische Onkologie/Hämatologie).
Blut- und Knochenmarkuntersuchungen erlauben eine genaue Aussage darüber, ob und an welcher Art von Leukämie der Patient erkrankt ist. Die Untersuchungen beinhalten mikroskopische (zytomorphologische), immunologische und genetische Laborverfahren, die es nicht nur ermöglichen, eine ALL von anderen Leukämiearten (zum Beispiel einer AML) abzugrenzen. Es lassen sich auch innerhalb des Krankheitsbildes ALL verschiedene Unterformen unterscheiden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine gezielte Therapieplanung, denn es hat sich gezeigt, dass sich die verschiedenen ALL-Formen nicht nur auf zellulärer und molekularer Ebene voneinander unterscheiden, sondern auch deutliche Unterschiede in ihrem Krankheitsverlauf, ihren Heilungsaussichten (Prognose) und der Therapierbarkeit zeigen.
Liegt eine ALL vor, so ist es für die Behandlungsplanung auch wichtig zu wissen, ob außerhalb des Knochenmarks noch weitere Organe des Körpers – zum Beispiel Gehirn, Leber, Milz, Lymphknoten oder Knochen – von Leukämiezellen befallen sind. Auskunft darüber geben verschiedene bildgebende Verfahren wie Ultraschall- und Röntgenuntersuchung, Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT). Um herauszufinden, ob auch das Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) von der Erkrankung betroffen ist, wird außerdem aus dem Nervenwasserkanal eine Probe entnommen und auf Leukämiezellen untersucht (Lumbalpunktion).
Behandlungsvorbereitend erfolgt ferner eine Überprüfung der Herzfunktion (Elektrokardiographie (EKG) und Echokardiographie) und der Gehirnfunktion (Elektroenzephalographie, EEG). Umfangreiche Laboruntersuchungen dienen dazu, den Allgemeinzustand des Patienten zu überprüfen und festzustellen, ob durch die Leukämie die Funktionen einzelner Organe (zum Beispiel Nieren und Leber) beeinträchtigt sind oder Stoffwechselstörungen vorliegen, die vor oder während der Behandlung besonders berücksichtigt werden müssen. Veränderungen, die möglicherweise im Laufe der Therapie auftreten, können aufgrund solcher Ausgangsbefunde besser beurteilt werden. Im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Bluttransfusionen muss eine Bestimmung der Blutgruppe erfolgen.
Gut zu wissen: Nicht alle Untersuchungen sind bei jedem Patienten notwendig. Andererseits können eventuell Untersuchungen hinzukommen, die hier nicht erwähnt wurden. Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt oder das Behandlungsteam, welche Untersuchungen bei Ihrem Kind geplant sind und warum die jeweilige Untersuchung erforderlich ist.
Bestätigt sich der Verdacht auf eine akute lymphoblastische Leukämie, erfolgt die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf den Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (sie werden daher auch Risiko- oder Prognosefaktoren genannt).
Wichtige Prognosefaktoren sind unter anderem die immunphänotypische Unterform der ALL (siehe Kapitel „Therapieformen“), bestimmte molekulargenetische Veränderungen der Leukämiezellen, die Krankheitsausbreitung im Körper zum Diagnosezeitpunkt (initiale Leukämiezellmasse), das Ansprechen der ALL auf die Chemotherapie und das Alter des Patienten. Die genaue Kenntnis des Tumortyps gibt dem Behandlungsteam Hinweise darauf, wie sensibel die Tumorzellen auf eine Chemotherapie reagieren und wie intensiv die Patienten folglich behandelt behandelt werden müssen, um das Rückfallrisiko möglichst gering zu halten. Krankheitsausdehnung und Therapieansprechen beeinflussen die Entscheidung, ob zusätzlich zur Chemotherapie weitere Therapiemethoden (zum Beispiel eine Strahlentherapie des Schädels oder eine Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender Stammzelltransplantation) zur Verbesserung der Heilungsaussichten erforderlich sind.
Alle Risikofaktoren fließen in die Behandlungsplanung ein mit dem Ziel, für jeden Patienten das jeweils bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen. Die jeweilige Krankheitssituation ist somit ausschlaggebend dafür, welcher Therapiegruppe (Standardrisikogruppe, mittlerer Risikogruppe oder Hochrisikogruppe) der Patient zugeordnet wird. Weitere Informationen zur Therapieplanung finden Sie in unserem ausführlichen Patiententext hier.
Die Behandlung eines Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) muss schnellstmöglich in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen. Ziel der Behandlung ist, eine hohe Heilungsrate bei möglichst geringen Nebenwirkungen und Spätfolgen zu erreichen.
Das Ziel der Behandlung besteht darin, die Leukämiezellen im Körper möglichst vollständig zu vernichten, so dass das Knochenmark seine Funktion als blutbildendes Organ wieder aufnehmen kann. Die Intensität und Dauer der Chemotherapie, die Notwendigkeit einer Bestrahlung des Zentralnervensystems oder einer Stammzelltransplantation sowie die Prognose der Erkrankung richten sich unter anderem danach, an welcher ALL-Unterform der Patient erkrankt ist, wie stark sich die Leukämiezellen im Körper bereits ausgebreitet haben und wie die Leukämie auf die Therapie anspricht (siehe Kapitel "Therapieplanung").
Anmerkung zur reifen B-ALL: Patienten mit reifer B-ALL (B-AL) werden nicht im Rahmen der Therapiepläne behandelt, die für die übrigen Formen der akuten lymphoblastischen Leukämie gelten. Sie erhalten eine Therapie wie Patienten mit einem reifen B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom und sind daher in den folgenden Ausführungen nicht berücksichtigt. Informationen zu den Non-Hodgkin-Lymphomen finden Sie hier.
Die chemotherapeutische Behandlung eines Patienten mit ALL erfolgt grundsätzlich in mehreren Therapieabschnitten. Die verschiedenen Therapiephasen sind von unterschiedlicher Dauer und unterscheiden sich auch hinsichtlich der eingesetzten Medikamentenkombinationen sowie der Intensität und Zielsetzung der Behandlung. Innerhalb der einzelnen Therapieabschnitte werden die Patienten nach unterschiedlichen Therapieplänen (Protokollen) behandelt. Welcher Therapieplan im Einzelfall eingesetzt wird, hängt unter anderem davon ab, zu welcher Risikogruppe der Patient gehört und in welchem Therapiezweig er infolgedessen behandelt wird. Je höher das Risiko eines Krankheitsrückfalls ist, umso intensiver wird in der Regel auch die Behandlung sein.
Sofern es zu keinem Rückfall kommt, beträgt die Gesamtdauer der Behandlung etwa zwei Jahre. Sie setzt sich aus einer intensiven Therapiephase mit vielen Klinikaufenthalten (circa ein halbes Jahr) und einer eher gemäßigten, meist ambulanten Therapiephase (circa eineinhalb Jahre) zusammen.
Wichtige Therapieelemente sind:
Zu den bei einer ALL eingesetzten Zytostatika gehören zum Beispiel Prednison (PRED) oder Dexamethason (DEXA), Vincristin (VCR), Daunorubicin (DNR), Asparaginase (ASP), Methotrexat (MTX), Cyclophosphamid (CPM), Cytarabin (ARA-C), 6-Mercaptopurin (MP), Etoposid und Thioguanin (TG).
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass es – je nach Studie – gewisse Unterschiede bezüglich der Benennung der verschiedenen Therapiephasen und deren Dauer und Ablauf gibt. Im Rahmen von klinischen Studien können auch neue Therapieansätze (zum Beispiel eine Immuntherapie mit Antikörpern) in bestimmten Therapiephasen geprüft werden. Weitere Informationen zu möglichen Therapieabläufen finden Sie in der ausführlichen Patienteninformation im Kapitel "Ablauf der Chemotherapie".
Im Falle eines Krankheitsrückfalles (Rezidiv) – er betrifft etwa 15 % der ALL-Patienten – stehen als Behandlungsmaßnahmen Chemotherapie, Strahlentherapie sowie die Stammzelltransplantation zur Verfügung. Bei der Mehrzahl der Patienten mit ALL-Rezidiv beinhaltet die Behandlung eine intensivierte Chemotherapie mit dem Ziel der Remission sowie, im Anschluss, eine allogene Stammzelltransplantation. Manche Patienten sind durch eine alleinige Chemotherapie heilbar. Eine Strahlentherapie kann zur Behandlung von Zentralnervensystem und/oder Hoden erfolgen. Patienten, die auf die konventionelle Therapie (Chemotherapie, Stammzelltransplantation) überhaupt nicht oder nur unzureichend ansprechen (refraktäres oder zweites ALL-Rezidiv), können möglicherweise von neuen Medikamenten mit anderen Wirkmechanismen profitieren, die im Rahmen von klinischen Studien getestet werden.
Fast alle Kinder und Jugendlichen mit ALL werden in Deutschland im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien behandelt. Es handelt sich dabei um kontrollierte klinische Studien, die das Ziel haben, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln.
Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in einem so genannten Register dokumentiert. Die Behandlung erfolgt generell nach den Therapieempfehlungen der Studienzentrale. Auf diese Weise erhält der Patient die zu diesem Zeitpunkt verfügbare optimale Therapie.
Zurzeit gibt es in Deutschland, meist mit internationaler Beteiligung, die im Folgenden aufgeführten Therapiestudien und Register zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit akuter lymphoblastischer Leukämie:
Hinweis: Die AIEOP-BFM-Studie und die (ehemalige) COALL-Studie beziehungsweise die entsprechenden Register sind für die gleiche Gruppe von Patienten konzipiert (ALL-Ersterkrankung, Alter: 0-17 beziehungsweise 1-17) und unterscheiden sich nur geringfügig. Die verschiedenen Behandlungszentren für Kinder und Jugendliche mit ALL sind jeweils auf eines der beiden Studienprotokolle (beziehungsweise die daraus hervorgehenden Empfehlungen) spezialisiert. Die CoALL-Studiengruppe beteiligt sich seit April 2022 als eine von insgesamt neun Studiengruppen an der neuen Phase-III-Studie des internationalen ALLTogether Konsortiums.
Bitte beachten Sie, dass Patienten mit reifer B-ALL (auch: B-AL) hier nicht berücksichtigt sind, da sie wie Patienten mit reifen B-Zell Non-Hodgkin-Lymphomen behandelt werden.
Das Hauptziel aller Studien ist, die Therapie von ALL-Patienten weiter zu verbessern und therapiebedingte Nebenwirkungen zu reduzieren. Darüber hinaus wird durch die intensive Therapie begleitende Forschung das Wissen über die Erkrankung vertieft. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in zukünftige Behandlungskonzepte einfließen.
Die Heilungschancen (Prognose) von Kindern und Jugendlichen mit ALL haben sich dank der großen Therapiefortschritte in den letzten vier Jahrzehnten deutlich verbessert. Die heute eingesetzten modernen Untersuchungsmethoden und intensiven, standardisierten Kombinationschemotherapien führen dazu, dass insgesamt etwa 90 % der an ALL erkrankten Kinder und Jugendlichen dauerhaft von dieser Krankheit geheilt werden (10-15-Jahres-Überlebensraten). Damit gehört die ALL inzwischen zu den am besten behandelbaren Krebserkrankungen.
Im Falle ungünstiger Prognosefaktoren (zum Beispiel bei schlechtem Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie oder schwer zu behandelnder ALL-Unterform) liegen die Heilungschancen, trotz intensivierter Behandlung, deutlich unter 90 %. Das gilt auch für Patienten, die unter einem Jahr oder über zehn Jahre alt sind.
Etwa 90 der jährlich ungefähr 550 bis 600 in Deutschland neu erkrankten Kindern und Jugendlichen mit ALL (das heißt, etwa jeder siebte Patient) erleiden einen Krankheitsrückfall (Rezidiv). Rezidive treten bei ALL-Patienten meist innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre nach Diagnosestellung und nur noch sehr selten nach fünf Jahren auf. Die Heilungsaussichten sind generell wesentlicher ungünstiger als bei der Erstbehandlung, auch wenn bei einem Teil der Patienten durchaus noch gute Behandlungserfolge erzielt werden können. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei Kindern und Jugendlichen mit ALL-Rezidiv zwischen 50 und 60 %. Im Rahmen der derzeitigen Therapieoptimierungsstudien und zukünftiger Studien sollen die Heilungsaussichten auch für Patienten mit ungünstigerer Prognose weiter verbessert werden.
Anmerkung: Bei den genannten Heilungsraten handelt es sich um statistische Größen. Sie stellen nur für die Gesamtheit der an einer ALL erkrankten Patienten eine wichtige und zutreffende Aussage dar. Ob der einzelne Patient geheilt werden kann oder nicht, lässt sich aus der Statistik nicht vorhersagen. Eine Leukämieerkrankung kann selbst unter günstigsten beziehungsweise ungünstigsten Voraussetzungen ganz unerwartet verlaufen.
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