Psychosoziale Versorgung

Psychosozialer Dienst stützt die ganze Familie

Mit der Diagnose „Krebs“ wird auf den kinderonkologischen Stationen niemand allein gelassen: Es stehen nicht nur Ärzte und das Pflegepersonal, sondern auch psychosoziale Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen den jungen Patienten und ihren Angehörigen eng zur Seite.

Psychosoziale Versorgung im klinischen Alltag

„Die Angebote der psychosozialen Versorgung sind niederschwellig und aufsuchend“, sagt die Psychologin Peggy Lüttich des Hopp-Kindertumorzentrums (KiTZ) in Heidelberg. Das psychosoziale Team bietet jeder Familie eine psychosoziale Begleitung an. Oft bereits vom ersten Tag an. Eine Begleitung ist in jeder Phase der Behandlung möglich. Die Familien entscheiden selbst, ob und wann sie eine Betreuung wünschen.

Unterstützung kann durch regelmäßige Kontakte, strukturierte Angebote sowie rund um den Umgang mit medizinischen Eingriffen erfolgen. „Wir kennen die Kinder und Jugendlichen und wissen zum Beispiel, wann welcher Behandlungsschritt bei einem Patienten an der Reihe ist. Und wir können bei Bedarf unsere Unterstützung anbieten und intensivieren.“

Psychosoziale Mitarbeiter koordinieren zudem passende Betreuungs- oder Therapieangebote zu Hause vor Ort. Dazu kooperieren sie mit Therapeuten, Institutionen und den Schulen vor Ort. Sie verfügen über ein Netzwerk unterstützender Anlaufstellen. Angebote werden oftmals aber auch erst nach Ende der Therapie in Anspruch genommen. In der Nachsorge ist das psychosoziale Team ebenfalls Ansprechpartner für Belange von Patienten und Eltern.

Ein fester Baustein der Gesamtbehandlung

Am KiTZ arbeiten zwei Psychologinnen, zwei Erzieherinnen, eine Musiktherapeutin, drei Sozialarbeiterinnen sowie eine Sporttherapeutin. Bereits beim Diagnosegespräch ist in der Regel eine Psychologin anwesend. In den ersten zwei Wochen nach der Diagnose stellen sich die Mitarbeiterinnen des psychosozialen Teams den Familien vor.

Jede Familie hat dann im Verlauf eine feste Psychologin und Sozialarbeiterin an ihrer Seite. Alle psychosozialen Angebote werden im Team abgesprochen und individuell auf den Patienten und seine Familie abgestimmt. Die psychosoziale Versorgung ist ein fester Baustein in der Gesamtbehandlung, bei der es darum geht, neben dem Patienten beispielsweise auch Geschwisterkinder in der Zeit der Intensivtherapie zu begleiten.

Für die jüngsten Patienten gibt es altersgerechte Bastel- und Spielangebote. Ein Spielzimmer, das eine jede Kinderonkologie vorhält, schafft eine kindgerechte Umgebung und sollte eine „behandlungsfreie Insel“ sein. Ein solches Angebot ist für diese Altersgruppe sehr wichtig, es lenkt ab und hilft. Erzieher in der Kinderonkologie betreuen die Patienten mit einem spieltherapeutischen Ansatz. Sie haben die Kinder gut im Blick: Ist das Kind altersgerecht entwickelt? Wie ist seine Entwicklung vorangegangen oder gibt es therapiebedingte Rückschritte? Was ist für die Zeit nach der Behandlung zu beachten?

Unabhängig vom Alter sind Kinder und Jugendliche aus ihrem normalen Alltag herausgerissen und müssen sich mit ihrer Erkrankung und der Behandlung auseinandersetzen und darauf einstellen. Jugendliche belastet häufig, dass ihnen soziale Kontakte und Selbstbestimmung fehlen. Sie haben ein größeres Bewusstsein für ihre Krebserkrankung und die daraus entstehenden möglichen Konsequenzen (z.B. wenn nach einem Knochentumor sportliche Hobbies nicht mehr ausgeübt werden können). Das kann viele Fragen aufwerfen und zu Frust, Wut und Trauer führen.

Themen rund um die Therapie

Es sei ganz normal, dass eine Krise wie eine lebensbedrohliche Erkrankung des Kindes Ängste, Sorgen und Nöte hervorrufe, die zu anhaltenden Belastungsreaktionen führen können. Eine solche Erkrankung hat Auswirkungen auf die gesamte Familie, erklärt Peggy Lüttich.

Oft geht es in Gesprächen um die Frage, wie Eltern mit ihrem Kind über seine Krebserkrankung sprechen sollen, welche kognitiven Spätfolgen beispielsweise bei Hirntumoren auftreten können oder wie sie mit der der Sorge und dem schlechten Gewissen gegenüber den Geschwistern sowie die Organisation ihrer Betreuung umgehen sollen.

Manchmal geht es in der Beratung bei der elterlichen Begleitperson in der Klinik aber auch um Dinge, die etwas Ermutigung brauchen, sich zum Beispiel eine Pause zu nehmen, etwas zu essen oder vielleicht eine Runde zu joggen. Im Gespräch können Patienten oder Angehörige ihre Gefühle und Sorgen offen aussprechen. Psychosoziale Interventionen unterstützen Familien auf vielen verschiedenen Ebenen direkt und indirekt.

„Die zu begleitenden Familien kommen aus allen Teilen der Gesellschaft. Wir stellen uns auf jede Familie so gut wie möglich ein, helfen ihnen durch diese Zeit zu kommen und mit ihren Stärken und Ressourcen in Kontakt zu bringen“, so die Psychologin.

Die psychosoziale Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern erfolgt im Klinikalltag im engen Austausch mit den Ärzte, dem Pflegepersonal und den Kliniklehrer. Gerade auch die Begleitung durch die Klinikschule während der Behandlungszeit ist für viele Kindern und Jugendliche enorm wichtig.

Umfassende sozialrechtliche Beratung

Zeitnah zum Beginn der Behandlung klären die Sozialarbeiter in einem ausführlichen Gespräch, wie die Familien ihre bisherige familiäre und berufliche Situation an die neuen Gegebenheiten anpassen können. Bei einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter werden Eltern zu unterschiedlichen sozialrechtlichen Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung (z.B. Fahrkosten zur Behandlung, Haushaltshilfe, Pflegegeld) und zum Schwerbehindertenrecht beraten.

Ergänzend wird der individuelle Hilfe- und Unterstützungsbedarf der Familien berücksichtigt. Die SozialarbeiterInnen sind Ansprechpartner für Krankenkassen und Ämter und sind den Eltern bei der Beantragung der Leistungen behilflich. Gegen Ende der Akuttherapie werden die verschiedenen Möglichkeiten von Rehabilitationsmaßnahmen (Familienorientierte Rehabilitation, Jugendrehabilitation) erörtert und die jeweilige Beantragung in die Wege geleitet. Auch in der Nachsorge können sich die Familien bei Beratungsbedarf an die Sozialarbeiter wenden.

Hintergrund

Ob das Krankenhaus in Freiburg oder in Greifswald ist: Alle Kliniken der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) arbeiten nach einheitlichen Standards.

In der S3-Leitlinie hat die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (PSAPOH) die Versorgung, Beratung und Begleitung von krebskranken Kindern und ihren Familien definiert. In dem Netzwerk arbeiten psychosoziale Mitarbeiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen.

Das Zertifizierungssystem OnkoZert legt fest, dass ein psychosoziales Team aus mindestens je einem Vertreter:

besteht. Der Richtwert liegt bei mindestens zwei Vollzeitstellen Psychologie und Sozialarbeit pro 44 Fälle an einem Zentrum.

Um eine umfassende psychosoziale Versorgung gewährleisten zu können, arbeiten verschiedene Berufsgruppen in einem Team. Je nach Zentrum ist die Zusammensetzung der psychosozialen Teams durchaus sehr unterschiedlich. Beispielsweise arbeiten Pädagogen, Musik-, Kunst- und Sporttherapeuten zusätzlich zu den oben aufgeführten Bereichen in der Kinderonkologie.

Für die Betreuung in Elternhäusern und für Nachsorgeangebote beschäftigen Elternvereine psychosoziale Fachkräfte und/oder finanzieren Stellen in den Kliniken.